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The Medium is the Story.

Nachrichten und Journalismus haben mich ja immer schon fasziniert. Leider gab’s dazu bei uns an den Unis zu meiner Zeit wenig Angebot. Aber ich konnte dann im Zuge eines Auslandsaufenthalts einen Media Ethics Kurs an der Middlesex University besuchen (bei Phil Cole, genialer Typ) und später auch am Study of the US International Exchange Program zum Thema News and Journalism in Athens, Ohio, teilnehmen.

So Fragen wie, „Was hat eigentlich Nachrichtenwert?“, „Welche ethischen Richtlinien gelten?“ und „Wenn Medien der ‚Watchdog of Democracy‘ sind, also quasi die vierte Macht im Staat, wer kontrolliert dann die Medien?“ interessieren mich bis heute.

Einer der Grundsätze des Journalismus war immer: report the story, don’t be the story. Spätestens seit Einführung des „embedded Journalism“ bei den Kriegsschauplätzen in Afghanistan nach 9/11 ist dieser Grundsatz verwässert. So mancher Nachrichtenbeitrag gleicht heute einem Erlebnisbericht (faszinierend etwa, wie das der „Weather Channel“ oftmals zu inszenieren weiß). Die neuesten holografischen bzw. 3D-Installationen in Nachrichtenstudios zielen auch genau in die Richtung: Die Reporter und Moderatoren werden gleichsam „in das Geschehen“ hineingezogen.

Seitdem es Twitter gibt und noch mehr seitdem ein Amerikanischer Präsident es zu seinem Kommunikationskanal gemacht hat, ist es Usus geworden, Twitter-Postings in den traditionellen Print- und Onlinemedien zu zitieren oder einzubetten. Das gilt mittlerweile natürlich auch für alle anderen Social Media Plattformen, auf die gerne Bezug genommen wird.

Eine ganz neue Ebene dieser Referenzierung auf andere Kanäle hat uns die Berichterstattung rund um Covid-19 gebracht. So werden in Online-Beiträgen von großen Tageszeitungen online-TV-Beiträge anderer Sender verlinkt, Journalisten beziehen sich auf Interviews, die andere Medien geführt haben. Das alles ist Neuland und überrascht mich. Vielleicht liegt es daran, dass viele im Homeoffice arbeiten und weniger eigenen Content generieren (können), vielleicht liegt es an Einsparungsmaßnahmen. Vielleicht ist in Zeiten der Krise die Kooperationsbereitschaft unter den einzelnen Medienkanälen größer geworden, vielleicht gibt es insgesamt weniger berichtenswerte Geschichten und man arbeitet mit dem wenigen vorhandenen, vielleicht schaut man noch kritischer auf den Mitbewerb.

Ich bin mir noch nicht sicher, was ich von diesen „Nachrichten über Nachrichten“ halten soll. Es spart mir viele Klicks oder die Suche nach einem Original (weil es meist gleich mitverlinkt ist). Es lässt mich mühelos zwischen Medienkanälen navigieren, die ich sonst einzeln ansteuern hätte müssen. Es macht aber auch eine Medienblase transparenter, innerhalb derer sich in erster Linie Medien und Politik bewegen. Es verflacht auch den Informationsgehalt, weil originelle (im Sinne von neue) Inhalte weniger werden.

In jedem Fall scheint gerade einer der journalistischen Standards neu definiert zu werden. Ich gebe dem einmal das Label: „The Medium is the story.“ Wäre spannend, was Marshall McLuhan dazu zu sagen hätte.